Zeit für ein bewusstes Füreinander.

Mein Vater war Maurer. Als Kind war ich immer sehr stolz auf ihn, wie er braungebrannt von der Arbeit kam. Bis heute schaue ich mir gerne Baustellen mit ihren faszinierenden Kränen an. Ich liebe den Kran, den man in Dortmund Kley von der B1 aus sehen kann, vor allem in der Nacht, weil er dann beleuchtet ist.

Jetzt ist genau gegenüber unserer Wohnung seit einem Jahr eine solche Baustelle. Sie hat mir nicht nur Freude bereitet, weil es ist oftmals laut gewesen. Aber jetzt steht da ein Haus.

Jeden Tag konnte ich zusehen, wie ganz unterschiedliche Menschen an dem Haus arbeiteten. Jeden Tag konnte ich sehen, was wieder dazugekommen war, damit es mal ein Haus mit mehreren Wohnungen wird.

Jetzt ist es fast fertig. Das Dach ist drauf, der Putz ist dran, es fehlt die Farbe.

Gestern als ich es mir nochmal anschaute habe ich die vielen Menschen vor mir gesehen, die miteinander dafür gesorgt haben, das es jetzt hier steht. Sie haben dafür gesorgt, dass demnächst andere Menschen einen Wohnraum finden. Ich kann nur hoffe, dass sie sich der Wesentlichkeit ihrer Arbeit bewusst sind. Ihrer Arbeit für das Miteinander, für die Menschen, für das Leben.

Ohne diese Arbeiter, die sehr oft fröhlich und sich miteinander austauschend an diesem Haus gearbeitet haben, gäbe es dieses Haus nicht. Früher hielt mein Vater oftmals in der Stadt an und sagte, schau mal das Haus haben wir gebaut.

Der ehrwürdige Mönch und spirituelle Lehrer Tich Nhat Hanh beschreibt es mit seinen Worten:

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Das ist die Natur des Interseins. Alles Leben durchdringt sich und ist miteinander verwoben. Es gibt nichts, was alleine aus sich selbst existieren kann.

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Und es fällt uns nicht mehr auf.

Ich bemerkte gerade, wie selten ich die Arbeit anderer Menschen für mich überhaupt noch wahrnehme und schätze. Wie selten nehme wirklich wahr, das all die Dinge, die mir bereitstehen von Menschen gemacht werden?

Hab ich unsere neue Wohnung betreten und an die Arbeit gedacht, die in diesem Haus steckt? Und oftmals sehr ehrliche und anstrengende Arbeit. Nein, ich habe den Ausblick bewundert und das schöne Badezimmer.

Gerade aber, weiß ich auch dieses Haus zu schätzen. Da haben Männer, manchmal auch Frauen, geschuftet und ich habe meinen Nutzen davon.

Was ich sagen will, vielleicht ist es an der Zeit wieder mehr wahrzunehmen, was wir uns gegenseitig schenken, was für auch füreinander leisten. Das verändert die Arbeit. Das verändert den Blick für das, was alles da ist. Das erhöht den Wert.

Und all das gilt nicht nur für die Bauarbeiter, es gilt für die Bäckereifachverkäuferin, für die Ärzte, die Krankenschwester, die Erzieherin, den Lehrer. Wir arbeiten für Geld und wir arbeiten für die anderen, für das Leben.

Und vielleicht macht uns Pädagogen die Vorstellung, dass Kinder immer etwas von uns mit in ihr Leben tragen die Arbeit machmal leichter. Dass sie es vielleicht sogar weitergeben an ihre Kinder. Und das wiederum bedarf dringend der Wertschätzung. Was für eine wesentliche Arbeit.

Vielleicht können wir es uns wieder mehr bewusst machen dieses “Füreinander”. Aber das reicht noch nicht. Wir müssten es auch aussprechen. Öfter mal. Immer wieder. Ganz oft.

Ich glaube, es passt gut in diese Zeit.

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